Blog 06.08.2025
Digitale Transformation: Gestalten oder gestaltet werden?

Digitalisierung ist kein Naturgesetz
Stell dir vor, du wachst auf – und dein ganzes Dorf wurde digitalisiert. Nicht von dir, nicht von deiner Gemeinde, nicht von einem Bündner Unternehmen, sondern von einem anonymen Tech-Konzern mit Sitz in Kalifornien, Südkorea oder Zürich. Die neuen Systeme funktionieren – irgendwie – aber du verstehst nicht, wie. Und noch schlimmer: Sie passen nicht zu deinem Alltag, deinen Werten, deinem Geschäft.
Klingt übertrieben? Vielleicht. Aber genau das passiert – Schritt für Schritt – wenn wir die digitale Transformation nicht aktiv mitgestalten. Digitalisierung ist kein Naturgesetz. Sie ist kein Sturm, der über uns hinwegzieht. Sie ist gestaltbar. Und wenn wir sie nicht nach unseren Werten formen, dann tun es andere.
Gerade im Kanton Graubünden, mit seinen verstreuten Dörfern, seiner lebendigen KMU-Landschaft und seiner starken kulturellen Identität, ist das keine Kleinigkeit. Denn hier geht es nicht nur um Technologie – es geht um unsere Lebensweise, unsere Art zu wirtschaften, zu arbeiten und zu leben.
Chancen und Risiken – Warum Mitgestaltung entscheidend ist
Digitalisierung – Fluch oder Segen?
Die digitale Transformation ist längst bei uns angekommen. In der Buchhaltung, beim Online-Marketing, im Tourismus, in der Landwirtschaft, in der Produktion. Wir reden über Künstliche Intelligenz, Automatisierung, Cloud-Dienste, smarte Sensoren, digitale Prozesse.
Aber die entscheidende Frage ist: WIE nutzen wir sie? Und WARUM?
Digitalisierung kann:
- den Alltag erleichtern,
- Zeit sparen,
- Ressourcen schonen,
- neue Geschäftsmodelle ermöglichen,
- die Lebensqualität erhöhen.
Oder:
- sie kann überwachen,
- entmenschlichen,
- stressen,
- Jobs vernichten,
- Abhängigkeiten schaffen.
Und genau da kommt die Gestaltung nach unseren Werten ins Spiel.
Warum Werte der Kompass sind – gerade für KMUs
KMUs in Graubünden sind keine anonymen Grosskonzerne. Sie sind persönlich, familiär, traditionsverbunden – und gleichzeitig oft überraschend innovativ. Viele leben von Vertrauen, Nähe, Handschlag-Qualität.
Wenn wir jetzt einfach jede neue Technologie übernehmen, ohne sie zu hinterfragen, riskieren wir, diese Werte zu verlieren. Wenn aber Werte wie Nachhaltigkeit, Menschlichkeit, Regionalität, Achtsamkeit oder Freiheit die Basis der digitalen Entscheidungen sind, kann daraus eine echte nachhaltige Digitalisierung entstehen.
Beispiel gefällig?
- Eine Metzgerei im Tal entscheidet sich nicht für die billigste Cloud-Kasse aus Übersee, sondern für eine lokale Lösung, die Datenschutz ernst nimmt.
- Ein Handwerksbetrieb digitalisiert seine Offerten und Prozesse, aber so, dass Kundenkontakt und persönliche Beratung erhalten bleiben.
- Ein Architekturbüro im Engadin führt ein digitales Projektmanagement-Tool ein – aber achtet bewusst darauf, dass die Kommunikation mehrsprachig möglich ist (Deutsch, Romanisch, Italienisch), damit alle Mitarbeitenden gleichwertig einbezogen bleiben. So wird Technologie zum Brückenbauer statt zum Stolperstein.
Wenn du es nicht tust, tun es andere – nach ihren Regeln
Das Problem: Wer seine digitalen Entscheidungen nicht trifft, für den werden sie getroffen. Von Software-Anbietern, Beratern, Plattformen. Und deren Werte sind nicht unbedingt deine.
Viele grosse Plattformen optimieren auf Effizienz, Wachstum, Kontrolle, Skalierbarkeit – nicht auf Nähe, Fairness, Vertrauen. Wenn du dich nicht einbringst, wirst du zum Nutzer eines Systems, das andere für sich gebaut haben – nicht für dich.
Digitale Souveränität ist kein Luxus. Es ist eine Notwendigkeit.
Tipps zur Umsetzung im Alltag – Wertebasiert digitalisieren
Klingt gut, aber wie umsetzen? Hier ein paar einfache, aber wirkungsvolle Tipps:
- Werte klären
Setz dich mit deinem Team oder deinem Netzwerk hin und klärt: Welche Werte sind uns wichtig? Was macht unser Unternehmen aus? Was soll auch in der digitalen Welt erhalten bleiben? - Technologien hinterfragen
Nicht jede App, nicht jeder KI-Assistent ist automatisch gut. Frag dich bei jeder Entscheidung: Passt das zu unseren Werten? Wem nützt diese Technologie wirklich? Fördert sie unsere Selbstständigkeit – oder macht sie uns abhängig? - Lokal denken
Gibt es regionale Anbieter? Lokale Netzwerke? Plattformen aus der Schweiz oder sogar Graubünden? Unterstützung aus der Region bringt nicht nur Vertrauen – sie stärkt auch das lokale Ökosystem. - Wissen aufbauen
Mach digitale Weiterbildung zur Chefsache – aber auch zur Teamaufgabe. Ob Barcamp, Online-Kurs oder Austausch mit anderen KMUs: Digitales Wissen ist eine Investition in Zukunft und Unabhängigkeit. - Mit anderen KMUs vernetzen
Der Austausch mit Gleichgesinnten ist Gold wert. Vielleicht gibt es in deiner Region bereits Initiativen zur nachhaltigen Digitalisierung. Wenn nicht: Starte selbst eine. - Künstliche Intelligenz mit Augenmass nutzen
KI kann ein starkes Werkzeug sein – wenn du sie richtig einsetzt. Automatisiere Routinen, aber behalte Menschlichkeit und Kontrolle. Lass dich von KI unterstützen, nicht ersetzen.
Die digitale Zukunft kommt sowieso. Die Frage ist: Wird sie ein Spiegel deiner Werte – oder der Werte von jemand anderem?
In Graubünden haben wir die Chance, die Digitalisierung anders zu denken. Ländlich, dezentral, menschlich, nachhaltig. Aber nur, wenn wir aufstehen und mitreden.
Du bist Unternehmerin? Du arbeitest in einem KMU? Du führst ein Team oder bist einfach interessiert an Zukunftsthemen? Dann mach den ersten Schritt.
Diskutiere mit. Hinterfrage. Entscheide bewusst. Gestalte.
Welche digitalen Entscheidungen hast du bisher einfach übernommen – und wo möchtest du in Zukunft bewusst gestalten?
Was bedeuten «Werte» und «nachhaltige Digitalisierung» für dich und dein Unternehmen?